Tag 40. Es ist Donnerstag. Nein Freitag. Oder doch schon Samstag? Kevin ist vorhin arbeiten gegangen, also ist es mal sicher kein Sonntag! Eigentlich ist es eh egal was für ein Wochentag ist. Es ist auf jeden Fall ein Tag. Ein weiterer Tag an dem es so dahinplätschert. Pandemia hat ihr Formtief übertaucht und sitzt lesend im Wohnzimmer, als es an der Tür läutet. Pandemia schreit: „Ich geh schon!“, und hüpft frohen Mutes in Richtung Wohnungstür. Wer mag das wohl sein? Der nette DHL Fahrer mit einem Packerl? Ein Brief mit einem unerwarteten Rollenangebot? Oder gar ein anonym abgelegter Blumengruß von einem geheimen Verehrer? Pandemias Herz schlägt schneller! Sie macht dir Tür auf und vor ihr steht: „Papa?“
Vor ihr steht tatsächlich ihr Vater in voller Lebensgröße und Fülle. Er wirkt etwas gehetzt, schwitzt leicht und ist außer Atem. „Papa was machst du hier?“, fragt Pandemia ihn. Sie zieht ihn in die Wohnung um ihn und sich selbst vor den neugierigen Blicken diverser Nachbarn zu schützen.
„Babsi, mein Mauserl! Komm lass dich drücken, wir haben uns ja so lang nicht gesehen!“ Und schon hat er seine Tochter im Klammergriff, dass ihr kurz die Luft wegbleibt. Als sie sich aus seiner Umarmung befreit hat fragt sie nochmal: „Papa! Was. Machst. Du. Hier? Du bist über 70 und hast Diabetes! Du bist Risikogruppe!“ „Geh! Risikogruppe! Mir geht´s doch gut. Ich hab ja nix! Und außerdem hat mich die Mama geschickt. Schau, sie hat was gemacht für dich.“ Feierlich überrreicht er ihr eine großes IKEA Sackerl voll mit Tupperware in diversen Größen und Farben. „Und ich war am Weg noch was einkaufen für dich, damit du uns nicht verhungerst.“ „Papa, ich verhunger nicht und du sollst eigentlich gar nicht einkaufen gehen, geschweige denn in der Gegend spazieren fahren und ich find das echt lieb von der Mama aber wer soll denn das alles essen?“ „Das kann man eh gut einfrieren, sagt die Mama!“, erwidert Pandemias Vater.
Diese beschließt das jetzt einfach alles so hinzunehmen und bietet dem Papa, wenn er doch schon mal da ist, einen Kaffee an. Und so sitzen sie nun im Wohnzimmer und der Papa erzählt, dass es allen sehr gut geht und der Krisetof, Pandemias älterer Bruder, würd eh einkaufen gehen. Also die großen Sachen halt. Aber die Kleinigkeiten könnens eh beim Nah&Frisch holen. Er bleibt halt dann meistens draußen stehen, weil er kann nicht so gut atmen mit diesem Fetzen vorm Gesicht und er trascht halt dann in der Zwischenzeit mit den anderen Gatten, die auch vorm Geschäft warten. Natürlich mit Abstand, außer sie machen dann gemeinsam das Kreuzworträtsel in der Krone fertig, weil die Damen so lang brauchen drin mir ihren Besorgungen. Die Mama würd sich aber eh auch brav an die Regeln halten. Sie plaudern halt jetzt immer vor der Wurschttheke, weil dort ist genug Platz, da kann man auch locker zu viert stehen mit Abstand und die Maske tuts auch ganz selten runter. Nur wenns mit wem redet. Sonst hat sie das Gefühl, dass sie so schreien muss und das ist ja auch blöd. Aber er findets wirklich gscheid von den alten Leuten, dass die daheim bleiben! Sehr vernünftig von denen. Ist dann auch für die normalen Leute sicherer, wenn die zuhause bleiben. Und jetzt muss er aber auch schon wieder los, weil heute fahrens noch ins Lagerhaus nach Zwettl Pflanzen kaufen. Er drückt seine Tochter nochmal, gibt ihr ein Bussi auf den Mund, nennt sie Babsimausi und zieht von dannen.
Pandemia bleibt halbwegs fassungslos zurück und ist unschlüssig ob sie zuerst Händewaschen oder lieber gleich duschen soll und beschließt stattdessen erstmal den Inhalt des IKEA Sacks zu inspizieren. In der Küche trifft sie auf Quentin, der gerade mit seinem Training fertig geworden ist und sie fragt: “ Wer war das an der Tür vorhin?“ „Mein Vater mit einem Care-Sackerl von der Mama und der ist echt arg drauf!“ Quentin öffnet den ersten Deckel. Kalter Schweinsbraten. Mhhh. „Stell dir vor, der fahrt einfach so von Rappottenstein 160 Kilometer quer durch Niederösterreich um mir Essen zu bringen!“ In der zweiten Dose: Mohnkuchen. Leiwand! „Und dann erzählt er mir noch ganz locker, dass er eh NUR zum Nah&Frisch fahrt mit der Mama.“ Dose drei: irgendein Aufstrich. Schaut komisch aus. Riecht aber super! „Aber sie nimmt die Maske eh nur ab wenn sie mit wem redet….die haben nichts verstanden!“ Was ist da drin? Ui voll frisches Brot! „Und mein Bruder, der Trottel, macht auch nix! Der lasst die zwei einfach so tun, wie sie glauben!“ Quentin macht sich dran, sich ein feines Brot herzurichten. Eigentlich eher eine Brettljause, weil er hat noch viel mehr feine Sachen in dem Sack gefunden, während sich seine Mitbewohnerin weiter in Rage redet.
Ramona betritt die Küche und fragt Quentin was mit Pandemia los ist und was das da für Sachen sind. Quentin klärt sie auf, dass die Sachen wohl von Pandemias Eltern kämen und die sich so aufregt, weil ihr Papa irgendwas vergessen hat. Ramona mustert die Ausbeute auf dem Tisch und stellt fest: „Na klar! Das Bier!“ Pandemia geht mittlerweile schimpfend auf und ab und gestikuliert wild herum: „Was denken die sich? Die sind beide über 70 und er ist seit vielen Jahren Diabetiker! Aber die alten Leute sollen daheim bleiben. Selber sind sie aber noch Teenager oder was?“ Wu Han betritt die Küche, angezogen vom Lärm, der ihn beim Candy Crush spielen gestört hat. „Was soll der Krach? Warum regt die sich so auf und was ist das da alles?“, fragt er. Ramona erklärt, dass Pandemia sich darüber aufregt, weil ihr Papa das Bier vergessen hat oder ihr Bruder Diabetiker ist, das wisse man grad noch nicht so genau und die Sachen offensichtlich dazu da wären um die hungrige Meute zu füttern. Das einzige was fehlt, ist halt das Bier aber was solls. „Und dann fahrt er 160 Kilometer zurück und dann fahrens noch ins Lagerhaus Pflanzerl kaufen. Die sind so deppert!“ „Apropos Pflanzerl, kannst du mir bitte die eingelegten Tomaten geben?“, bittet Quentin Ramona. Mittlerweile sitzen die Mitbewohner gemütlich um den Küchentisch und genießen ihr unerwartetes Festessen. „Und dann busselt er mich auch noch ab! Ich mein wozu machen wir das alles wenn die, dies betrifft dann eh in der Weltgeschichte herumgondeln und tun als wär nix? Hört mir hier eigentlich irgendwer zu?“ Vom Tisch her verstummt das fröhliche Geplapper und Geschmatze und drei Augenpaare schauen Pandemia an. Stille. Pandemia mustert einen nach dem anderen abfällig. Die Mitbewohner halten inne und schauen sich an. Sollten Pandemias Worte doch gehört worden sein?
„Quentin, ich hab deine Nachricht gelesen! Hilfst mir das Bier rauftragen?“, ist Kevins Stimme aus dem Vorraum zu vernehmen. „Schau Schatzi, der Kevin ist ein Guter. Der hat Bier mitgebracht! Jetzt musst dich nicht mehr so aufregen. Und bevor dein Papa das nächste Mal kommt, soll er dich einfach anrufen und fragen was wir sonst noch brauchen. Weißt, Nachbarschaftshilfe ist so wichtig in Zeiten wir diesen!“ Quentin klopft Pandemia triumphierend auf den Hintern und ist wahnsinnig zufrieden mit der Gesamtsituation. Pandemia seufzt resignierend, setzt sich an den Küchentisch und richtet sich ein Brot her.