In diesem Moment sitze ich, flankiert vom Lebensabschnittspartner und einem mir unbekannten Mann, in einem Flugzeug Richtung Wien. Das ist nach diesem Wochenende kein Problem, weil es ist der Rückflug von London.
Ja, wir haben das vergangene Wochenende in der Stadt an der Themse verbracht. Es war mein vierter Londonaufenthalt und jeder hat sich vom anderen unterschieden. Bei jedem Aufenthalt empfinde ich die Stadt anders, was sicher was mit meinem steigenden Alter zu tun hat. Mit 18 waren mir die Menschenmassen noch egal, im Gegenteil! Je mehr Menschen desto besser!
Heute hat sich das grundlegend verändert und so hatte ich schon auf der Fahrt vom Flughafen zum Piccadilly Circus mehr Körperkontakt zu fremden Leuten, als ich überhaupt jemals haben wollte. Ich hatte mal ein Haar im Mund und es war nicht von mir…wäääääh! Es ist eng geworden in London. Und laut! Unglaublich laut! Und so ist es nicht verwunderlich, dass man in der U-Bahn kaum jemanden ohne Kopfhörer sieht. Der Lebensabschnittspartner meinte, das wäre eh in Wien auch so. Dabei frag ich mich woher er das weiß, weil ich weiß, dass er noch seltener mit Öffis fährt als ich und ich mach das schon nie. Aber egal. Hier geht’s jetzt um London.
Bei meinem ersten Besuch war ich ca. 18. Gemeinsam mit einer Freundin habe ich die Stadt unsicher gemacht…oder habe es zumindest versucht, was aber durch ein unmoralisches Angebot auf einen Burger King Kaffeebecher gekritzelt, vereitelt wurde. Aber wir waren topmotiviert! Und obwohl es dieses seltsame Angebot gab damals, hab ich die Stadt, oder vielmehr die Bewohner, trotzdem als unglaublich höflich und freundlich empfunden. Heutzutage wird man schon am Flughafen dazu aufgefordert das Flughafenpersonal nicht anzupöbeln. Wenn auf sowas selbstverständliches hingewiesen werden muss, ist doch irgendwas faul. Im Wembley Stadium gibt es eine eigene Hotline, bei der man „Unhöflichkeiten“ aller Art melden kann. Nicht falsch verstehen, ich finde das gut! Aber was bedeutet das für eine Gesellschaft?
In den öffentlichen Verkehrsmitteln werden Frauen dazu aufgefordert, auf Kopfhörer zu verzichten am Heimweg, um mögliche Angreifer zu hören. Ich weiß nicht wie hoch die Kriminalitätsrate ist. Ich habe mich nicht unsicher gefühlt. Zum Einen natürlich durch die permanente Anwesenheit des Lebensabschnittspartners und zum Anderen, weil ich noch immer darauf vertraue, dass man immer so behandelt wird, wie man andere behandelt. Dass das blauäugig und naiv ist, weiß ich selber. Aber so bin ich halt! Der personifizierte Optimismus.
Dieser Aufenthalt hat sich aber noch durch etwas Grundlegendes von den ersten drei Besuchen unterschieden. Der fast völligen Sightseeingfreiheit! Zum ersten Mal war es mir, oder besser uns, möglich ohne Zeitdruck durch die Stadt zu flanieren. Mal da und dort Pause zu machen, einen Kaffee zu trinken oder eher ein Bier, etwas zu essen, da und dort in einem Geschäft zu stöbern. Wir konnten die Stadt einfach genießen! Nicht zuletzt durch die Assistenz eines lieben Freundes, der seit ein paar Jahren in London lebt und uns in so manches Lokal geführt hat, in das wir sonst wahrscheinlich nicht gefunden hätten! Was für ein unterhaltsamer, kulinarisch wertvoller Abend!
London ist immer einen Besuch wert. Leben möchte ich dort nicht. Gut, eigentlich möchte ich in überhaupt keiner Großstadt mehr leben. Ich hab gern Platz und Ruhe. Ein Landei halt. Ich will nicht mehr eineinhalb Stunden Anfahrt zur Arbeit haben. Und zurück auch nicht. Ich genieße den Luxus eines freien Parkplatzes zu jeder Tages- und Nachtzeit. Das Wissen, dass ich mich jederzeit ins Großstadtgetummel stürzen könnte, wenn ich nur wollte, reicht schon völlig.
Aber für so ein Wochenende hat das schon was. Besonders wenn man sich nichts mehr anschauen muss und man sich jederzeit rausnehmen und den Wahnsinn quasi von außen anschauen kann. Wir wollten am Sonntag, aufgrund des typisch englischen Wetters, ins British Museum. Zuviele Touristen. Na dann nicht. Völlig wurscht, das wird schon noch länger stehen! U-Bahn vollgestopft, wurscht, wir nehmen die Nächste! Wir sind die bekannten Einkausstraßen rauf- und runtergelatscht, was wir daheim nie machen würden! Völlig entspannt. Vielleicht hat auch das Wissen, dass es bestimmt ein nächstes Mal in dieser engen, lauten Stadt geben wird den Druck rausgenommen. Das ist eigentlich eine unglaubliche Freiheit, die wir da genießen. Und die ist, wie wir wissen, unbezahlbar.