Das Bizzi ist weg. Das Bizzi ist der wichtigste Besitz des mittelgroßen Kindes. Das Bizzi ist ungefähr gleichalt wie das mittelgroße Kind. Das Bizzi war mal eine normalgroße Stoffwindel. Es war mal rosa. Jetzt ist es eher…also mehr so…altrosa. Sehraltrosagrau. Anfangs haben wirs noch hin und wieder gewaschen, wenn das mittelgroße Kind es mal rausgerückt hat. Natürlich nicht ohne lautstarken Protest und natürlich immer mit der Hand, damits dann sofort auf die Heizung oder in die Sonne konnte um möglichst schnell zu trocknen.
Irgendwann, als es angefangen hat richtig dünn und löchrig zu werden und sich in seine einzelnen Fasern aufzulösen, haben wir aufgehört es zu waschen. Aus Selbstschutz gepaart mit purer Angst. Was wenn es sich in der Waschlauge endgültig auflöst? Wird das mittelgroße Kind dann jemals wieder schlafen können? Wird es jemals wieder glücklich sein? Wird sich der elternverursachte Verlust des so geliebten Kuscheltuchs in ein handfestes Kindheitstrauma auswachsen und was wird das für die Eltern-Kind-Beziehung bedeuten? Außerdem hat ein bissl Dreck noch niemandem geschadet. Stärkt das Immunsystem!
Egal wohin das mittelgroße Kind sich in seinen 4 1/2 Lebensjahren bewegt hat, das Bizzi war immer dabei. Bei jedem Urlaub, jedem Ausflug, jedem Gang zum Spielplatz. Es war Barbiefallschirm und Rettungstuch. Es war Puppendecke und Kopftuch. Es hat Tränen getrocknet und getröstet.
Das Bizzi besteht mittlerweile nur noch aus einzelnen Strängen, die wir aneinander geknotet haben. Es ist also ein sehraltrosagrauer Knoten. Es verliert ständig Fäden und der Verfall ist nicht aufzuhalten. Aber wir halten eisern dran fest. Besonders das mittelgroße Kind. Und dann sagt es vor gut drei Stunden den einen Satz, vor dem ich mich seit Jahren gefürchtet habe: „Mama, ich kann mein Bizzi nicht finden.“
Ich spürte Panik hochsteigen. Hektisch hab ich unter jeden Polster geschaut, das Bett durchsucht, jedes Stofftier hochgehoben. Hab mir gedanklich vorgesagt, dass ich jetzt nur nicht durchdrehen darf. Keine Unsicherheit zeigen. Ganz ruhig bleiben und lächeln. Ich hab das mittelgroße, weinende Kind ins Bett gebracht. Hab es getröstet und versichert, dass das Bizzi sicher wieder auftauchen wird.
Kaum war das mittelgroße Kind eingeschlafen und ich aus dem Zimmer, befand ich mich im CSI-Modus. Sowas wie ein Bizzi löst sich ja nicht in Luft auf. Sowas verschwindet ja nicht einfach! Es befindet sich nur an einem anderen Platz. Nachdem ich den Tathergang rekonstruiert hatte und klar war, dass das Bizzi nur irgendwo zwischen Wohnung und Autorücksitz sein kann, hab ich mich mit einer Taschenlampe bewaffnet und mich auf die Suche gemacht. Hab unter Büsche gelugt, bin am Boden gelegen um unter Autos zu schauen, hab den Autorücksitz Zentimeter für Zentimeter abgeleuchtet. Ohne Ergebnis. Ich hab das Treppenhaus abgesucht, unter der Couch geschaut (eine kleine Deo-Dose, ein grüner Stempel und ein paar Nudeln), in Schuhen gestöbert. Nichts.
Und dann der entscheidende Geistesblitz. Der Spalt, den es in jeder Wohnung gibt. Wir haben sogar zwei davon. Einer ist zwischen den zwei Couchteilen und verhält sich wie ein schwarzes Loch. Alles was da hineinrutscht ist bis in alle Ewigkeit verloren. Der andere ist im Vorzimmer zwischen Garderobe und Schalablage.
Lange Rede, kurzer Sinn: ich bin morgen Früh die beste Mama der Welt.
Du machst das großartig!!!
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